Dissertationsvorschlag Alte Geschichte

Zwischen Ausweisung und Privileg. Praktiken der Exklusion/Inklusion von Jüdinnen 

und Juden in der stadtrömischen Gesellschaft. Vom 2. Jh. v. Chr. bis zur Zeit des 

Bar-Kochba-Aufstands 

Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Thomas Blank

Seit dem späteren 3. Jh. v. Chr. war die Metropole Rom eingebunden in intensive Austauschprozesse mit weiten Gebieten des antiken Mittelmeerraums. Etwa seit derselben Zeit lassen sich Strategien der Markierung von Fremdheit im Bereich der Religion nachvollziehen: Die Bandbreite der Reaktionen der res publica und ihrer Vertreter auf das als fremd Markierte reicht dabei von Integration in den römischen Staatskult über Nichteinmischung bis zur Ausweisung fremder Religionspraktizierender aus Stadt und Land. Im Feld der Religion spiegelt sich mithin neben der sich sukzessive vertiefenden Verflechtung der stadtrömischen Kultur mit den Regionen des Imperium Romanum auch der komplexe Diskurs um die kulturelle Differenziertheit der großstädtischen Gesellschaft. 

Eine besondere Position in diesem Diskurs nehmen jüdische Gemeinden und Religionspraktizierende ein, deren Präsenz in Rom sich bald nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Rom und dem Makkabäerreich ab der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. nachvollziehen lässt. Jüdische Gemeinden befanden sich nicht lediglich wegen der angenommenen (ursprünglichen) ethnischen Herkunft ihrer Mitglieder in der Rolle der Fremdheit, vielmehr schloss ihr exklusives religiöses Selbstverständnis sie im Unterschied zu fast allen anderen religiösen Formationen der Antike von einer Integration in die Religion der res publica weitgehend aus. Die separate Entwicklung der jüdischen Gemeinden im Rom, ihres Selbstverständnisses und ihrer Wahrnehmung von außen vollzieht sich zudem vor dem Hintergrund der wechselhaften Geschichte sowohl der Beziehungen zwischen Rom und Judäa (bis zum Bar-Kochba-Aufstand 132135 n. Chr.) als auch innerjüdischer politisch-religiöser Entwicklungen (z. B. messianische Bewegungen ab Mitte des 1. Jhs. n. Chr. in jüdisch-christlichen Gemeinden). Konflikte zwischen res publica und Praktizierenden der jüdischen Religion entstanden in Rom regelmäßig, wenn Instanzen der res publica auf direkte Auswirkungen der Aktivitäten von Juden auf das zivische Leben in Rom aufmerksam wurden; insbesondere die Missionierung römischer Bürger:innen oder ihrer Angehörigen konnte solche Wirkungen entfalten. Anhand des Beispiels der Separatheit jüdischer Gruppen in Rom lässt sich die Wechselwirkung zwischen äußerer Ereignisgeschichte, innergesellschaftlichem Fremdheitsdiskurs und zivischem Ordnungshandeln besonders gut verfolgen.1 Im Dissertationsprojekt soll die Eigen- und Fremdpositionierung jüdischer Gemeinden (bis zum Bar-Kochba-Aufstand) als separate Gruppen in Rom auf Grundlage literarischer, epigraphischer sowie archäologischer Zeugnisse untersucht werden. Praktiken der Markierung von Separatheit vom bürgerlichen Raum, aber auch der gleichzeitigen Integration in den zivischen Ordnungsraum (z. B. durch Vergabe von exkludierenden Privilegien, aber auch durch Teilhabe am öffentlichen Leben) sollen dabei jeweils auf ihre auktorialen Intentionen und ihre internen und externen Wirkungen befragt werden.